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Hi Kat …


Verflucht, keine drei Worte und ich beginne bereits zu weinen. Dabei habe ich mir vorgenommen,
das hier hinzubekommen.
Wieso?
Tja, diese Frage stelle ich mir um ehrlich zu sein auch.
Aber okay, beginnen wir noch einmal von vorn.
Hey Kat, ich bin es. Lia.
Deine beste Freundin, die du in all dem Chaos zurückgelassen hast.
Klingt ein wenig verurteilend? Ja … Ich schätze, da du diesen Brief niemals lesen wirst, kann er das
auch sein. Um ehrlich zu sein, geht es mir nicht besonders gut, seitdem du weg bist. Ich vermisse
dich jeden verdammten Tag. Inzwischen habe ich beinah alles versucht. Ablenkung, Trauer,
Selbstfindung bis hin zu einer Lösung, wie wir dich zurückbekommen können.
Es wird dich wenig überraschen: nichts davon hat funktioniert.
Die Monate sind vergangen. Anlässe kommen und gehen. Das Wetter wechselt, doch kaum etwas
davon nehme ich bewusst wahr. Ich spüre, wie das Leben an mir vorbeizieht. Beinah fühle ich mich
wie in dieser schrägen Twilight-Szene, die wir gemeinsam gesehen haben.
Das Problem ist, ich merke immer mehr, wie mir die Realität entgleitet. Ich bin beinah dauerhaft am
Arbeiten, weil ich darauf hoffe, einen Weg zurück zu dir zu finden. Ich bin wie besessen. Kann mich
auf nichts anderes konzentrieren. Im Gegenteil: Es interessiert mich nicht.
Du bist meine beste Freundin. Und dass beinah mein ganzes Leben lang. Niemand kennt mich so
gut wie du und mit jedem Tag vermisse ich dich. Mit dir zu reden, zu lachen und dich einfach in
meiner Nähe zu wissen.
Das Schlimmste daran, dass du weg bist, ist etwas anderes, als deine bloße Abwesenheit. Ich bin so
verdammt egoistisch. Niemals würde ich mich trauen es zu sagen: Aber ich habe unfassbare Angst
vor der Zukunft. Einer, ohne dich. Einer, in der sich alles ändert. In der ich mich auf Sid und Max
einlasse. In der es kein Zurück gibt. Keinen Halt.
Und vor allem: In der ich mich vollständig jemand anderem öffnen muss.
Vielleicht habe ich dich deshalb in all den Jahren so sehr geliebt. Weil es nie eine Option war. Es war
nur ein Traum. Wie eine Schwärmerei in der Schule.
Max hasst es, mich so zu sehen. Ich erkenne es in seinen Augen. Das Funkeln darin ist beinah
erloschen. Er ist müde und erschöpft. Seine Taten verfolgen ihn, genauso wie die Zerrissenheit
seiner Familie. Und ich mache es ihm immer schwerer.
Deshalb ziehe ich mich zurück. Ich verbringe die meiste Zeit allein. Im Büro, in meinem Zimmer, in
den Tiefen des Ozeans. Dort, wo mich keiner finden kann. Dort, wo ich mit mir allein bin. Und mit dir.
Mit Sid ist es beinah genauso schlimm. Sie versucht mir Hoffnung zu machen. Jeden Tag wiederholt
sie die gleichen Floskeln. „Wir finden sie. Vermutlich geht es ihr gut und sie liegt an einem
magischen Strand.“ Dann lächle ich müde, nicke und tue, als hätten wir diese Unterhaltung nicht
schon hunderte Male geführt.
Ja, spätestens an diesem Punkt wundere dich bitte nicht über das gewellte Papier. Es hat beim
Schreiben geregnet …
Eigentlich sollte das hier ein Abschied werden. Aber es geht nicht.
Nicht heute.
Vielleicht bin ich morgen bereit dafür.

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​

​

​

Hey,


kaum zu glauben, dass ich das hier mache.
Bringen wir die Sache auf den Punkt: Ich kann dich nicht leiden.
Meiner Meinung nach bist du eine verwöhnte Göre, die in ihrem Leben verdammt viel in den Arsch
geblasen bekommen hat.

Aber Scheiße, für eine der beiden wundervollsten Frauen in meinem Leben scheinst du eine Menge
zu bedeuten.
Wenn du dich noch immer fragst, wer ich bin: Max. Nicht, dass der Hinweis notwendig gewesen
wäre.
Die Sache ist die, seit Monaten sehe ich dabei zu, wie meine Vanilla immer mehr von ihrem Licht
verliert. Nicht einmal ich habe es geschafft, sie dermaßen zu brechen. Weder durch meine Taten,
noch meine Worte. Sie war stark und stolz, selbst in ihren schwächsten Momenten. Jetzt bist du fort
und es fühlt sich ein wenig so an, als hättest du einen Teil von ihr mit dir genommen.
Das hat sie nicht verdient, weißt du.
Vanilla muss weiter machen können. Mit ihrem eignen Leben. Mit ihren Wünschen und Träumen.
Eins werde ich dir versprechen:
Sie wird wieder lachen.
Sie wird glücklich sein.
Scheiße, vielleicht setzen wir sogar ein paar bezaubernde Mini-Versionen in die Welt.
Keine Ahnung, aber ich werde tun, was auch immer in meiner Macht steht, damit sie das Leben
bekommt, das sie verdient hat.
Wie ich das hinbekommen will?
Ich werde mir jedes verdammte Romance Buch auf dieser Welt durchlesen. Jeden noch so
kitschigen Versuch unternehmen. Ich werde sie nicht weiterziehen lassen, dabei zusehen, wie sie
sich abkapselt. Und beginnen werde ich damit, dass ich ihr das süßeste, klischeehafteste und
romantischste Weihnachtsfest bereite. Inklusive Cove, dem ich eine reinhauen werde, wenn er
besoffen auftaucht, Little Miss Sunshine Elena und ihrem anhänglichen Freund. Dazu
Kuschelsocken, heiße Schokolade – die ich gegebenenfalls doch mit ein wenig Gin strecke – und
dem größten Weihnachtsbaum, den ich finden kann.
Ob du inzwischen in der Hölle schmorst, oder in Bali am Strand liegst: Ich werde diese wundervolle
Frau zurück in die Realität ziehen und dafür sorgen, dass ihr die ganze Welt zu Füßen liegt.
Wenn du jemals zurückkommst, dann wirst du nicht deine ruhige Freundin finden. Du wirst das
sehen und nicht mehr verleugnen können, was ich schon immer wusste:
Sie ist eine verdammte Göttin.
Merry fucking Christmas
Max

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